Das muss Liebe sein (Dark Fantasy-Kurzgeschichte)

Jattzen betrachtete den Himmel. Karbashylinth, ihr Lichtverleiher, hatte nur die Hälfte der Sonnenringe entzündet. Vielleicht muss er seine übrige Aufmerksamkeit der Herrin Giffeyasuhl widmen, überlegte er, aber abgesehen von der lästerlichen Unflätigkeit dieses Gedankens war Jattzen das in diesem Moment egal. Wozu Gedanken an das Treiben der Taane verschwenden, wenn seine wahre Göttin ganz nah bei ihm war, neben ihm saß? Und trieben Taane es überhaupt?
Egal, ermahnte er sich endgültig. Im Dämmerlicht der halb entzündeten Sonnen schien ihm der richtige Moment gekommen zu sein. Alles lag vor ihnen wie ein orange-blaues Gemälde, die Wiesen und satt bewachsenen Felder, die Dächer der Hütten, die langen Schatten, die sich ihrem Hügel entgegen reckten, als wollten sie nach ihrem Glück greifen und konnten es doch nie erreichen. Genau richtig, um ihr seine Liebe zu gestehen. Das war doch romantisch, oder etwa nicht?
Jattzen musste zugeben, dass er davon nicht allzu viel verstand. Er verstand, wie man Dinge trennte. Deralischen Schnaps aus seinem Behälter. Streithähne bei Prügeleien. Gliedmaßen von Körpern; was sollte er drumherum lügen, klar hatte er sich für die Schlachten zwischen den Häusern Mudford und Willenheim freiwillig gemeldet. Immerhin war es dabei um … um … Taanendreck, um was eigentlich gegangen? Na ja, wie man Dinge zusammenbrachte jedenfalls, davon hatte er nicht viel Ahnung.
Aber Neffeyli saß hier mit ihm, das konnte fürs erste kein schlechtes Zeichen sein, vermutete er. Und überhaupt, was sie schon gemeinsam erlebt hatten, wie nah sie einander standen, das musste etwas bedeuten. Andere Frauen hielten eher Abstand zu ihm, verzogen die Mienen und wandten sich ab. Besser so. Mit Gesichtsausdrücken konnte er sowieso nicht viel anfangen, also, mit Gesichtern ausdrücken schon, das allerdings war heutzutage kaum noch gefragt. Irgendwie hatten sich alle geeinigt, und wenn sich alle einig waren, gab es für einen Mann wie Jattzen nicht mehr viel zu tun. Also musste es doch einen besonders guten Grund für Neffeyli geben, bei ihm zu sein, wenn eigentlich gar nichts für ihn zu tun war? Grade jetzt, wo es so scheiß romantisch um sie rum war?
Liebe, schlussfolgerte Jattzen. Und ich liebe sie ja auch. Das passt. »Ich«, setzte er an. »Ich …«
»Ja, ich weiß«, seufzte sie und setzte sich ihren drolligen Hut auf. Den trug sie meist sehr tief ins Gesicht gezogen, wenn sie gemeinsam unterwegs waren »Schade, war grad ganz angenehm. Da vergisst man mal für einen Augenblick, warum man eigentlich hier ist, und schon hat der eingenässte Kriegskrüppel wieder etwas auszusetzen. Es wird nicht mal gut entlohnt, dich durch die Gegend zu kutschieren, dich zu waschen und den ganzen Mist, weißt du das?«
»Ich … ich …«
»Ja, ja, du, duuuuu, ich kann es nicht mehr hören.«
Sie stand auf, machte sich an dem Sitz mit den Rollen zu schaffen, den man ihm untergeschnallt hatte, nachdem ihm irgendsoein Arsch die Beine abgeschlagen hatte. Dann ruckelten sie den Hügel hinab, in die Schatten hinein. »Ich …«
»Sei schon still«, sagte sie, und sie klang dabei, wie andere aussahen, wenn sie die Schultern hängen ließen und den Kopf senkten.
Wie nannte man das? Kapi … Kapitulation? Hm. Das war vielleicht noch keine Liebe. Noch nicht ganz. Oder möglicherweise doch, er verstand sich ja nicht so gut auf diese Dinge. Wie ein guter Anfang kam es ihm allemal vor. »Ich …«

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„Hero, U Shy?“, den Kurzgeschichten-Podcast findet ihr auf:

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