Das Versprechen eines neuen Morgens (Dark Fantasy-Kurzgeschichte)

Nach einem weiteren Tag, zu lang um sich auf den folgenden zu freuen, setzte sich Ghora Kaeda mit wankenden Beinen an den Tisch ihres Oberbefehlshabers und legte das Forkenschwert zwischen ihnen ab, auf das die blutigen Parallelklingen ihm Respekt zollten.
»Du hast heute gut gekämpft, Generalin«, sagte Chiro Quaizzen, ohne der Waffe besondere Beachtung zu schenken.
»Khondo a’gamen«, bedankte sie auf bezzizakaisch und seufzte lang wie ein Wind, der über die Wiesen strich. Wiesen, die wieder wachsen würden, sobald die Stiefel des Feldzuges schwiegen, ihre Gräser nicht mehr niederdrückten. Die Natur kehrte stets zurück, irgendwann. »Wie lange werden diese Schlachten noch dauern, mein Shijirei-khaan?«
Quaizzens Blick verengte sich unter dem geschuppten, purpurroten Helm, den allhörende Ohren zierten. »Karbashylinths Monde sagen eine kurze Nacht voraus. Der Taan kann es kaum erwarten, seine Sonnenringe zu entzünden und das Land brennen zu sehen.«
»Es ist nicht das Begehren der Taane, dem wir folgen«, gab Ghora zu bedenken.
»Nein.« Der Oberbefehlshaber lehnte sich zurück, legte einen Zeigefinger an die Schläfe und strich mit dem Daumen über sein stets glattrasiertes Kinn. »Es ist die Ruhelosigkeit eines Feindes, der längst nicht mehr weiß, für was er kämpft.«
Ghora strich verkrustetes Haar aus der Stirn, bemerkte das Zittern ihrer Hand, das wie aufgeregtes Pochen kurz bevor Herzen erstarben durch ihre Nervenstränge zuckte. »Warum machen sie dann weiter?«
»Was sollen sie sonst tun«, erwiderte Quaizzen. »Für wen lohnt sich ein Frieden, der schon seine Kriege nicht mehr versteht?«
Die Generalin wischte einen Speicheltropfen aus dem Mundwinkel, fühlte das kalte Leder ihres Handschuhs nicht an der tauben Wange, dort, wo sie am Vormittag eine Faust getroffen hatte. »Mag sein, dass der Feind nicht aufhören kann. Aber Ryuu Tai’Chygen und seine Divisionen brauchen Ruhepausen, mein Shijirei-khaan.«
»Ungewährbar.« Zum ersten Mal an diesem Abend sah Quaizzen sie an und kurz glaubte Ghora, hinter seiner nicht zu ergründenden Miene jeden mitleidigen Schrecken entlang huschen zu sehen, den ihr Anblick wohl auslösen musste. Doch dabei blieb es. »Ruhe du, Generalin. Ruhe, als trüge splitterndes Glas deine Schritte. Ruhe wachsam und bereit. Und morgen kämpfst du weiter.«
»Ja«, hauchte sie, und sein Abwenden ersparte ihr die Schande, den Damm kraftlos zweifelnder Tränen in ihren Augen brechen zu sehen.

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„Hero, U Shy?“, den Kurzgeschichten-Podcast findet ihr auf:

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