Die Grube (Dark Fantasy-Kurzgeschichte)

»Wir könnten wirklich Hilfe gebrauchen«, knötterte Bambulistan, ohne ernsthafte Hoffnung darauf, dass tatsächlich jemand kommen und mit anfassen würde. So lief es doch immer. Rein mit euch in die Gruben und seht zu; Befehle rumschnauzen und sich dann das Würstchen und die Eier massieren, während sie die anderen im Dreck sumpfen ließen, als wäre das das wahre Vergnügen. Bambulistan fragte sich, wann und wo genau sein Leben so falsch abgebogen sein mochte, dass immer er zu diesen anderen gehörte.
»Pack lieber mit an«, sagte Schaumreif, der seinen ganz und gar zu drolligen Namen einem buschigen Kranz grauborstiger Barthaare verdankte, die ihm vom Kinn bis in den Nacken wucherten. Davon abgesehen war der Kerl kahl wie ein polierter Arsch. »Grube kommt nicht von Grübeln. Ich seh doch, dass dir was durch den Kopf geht.«
»Das lass mal meine Sorge sein.« Bambulistan stieß seinen Spaten in die Wand senkrecht abgetragenen Erdreichs.
Schaumreif schnaufte. »Du machst es zu meiner, du abgezäunter Hengst, wenn die Sonnenringe zum Winter blass werden, bevor wir hier unten was Funkelndes finden.«
»Ich könnte dir die Zähne bis hoch in die Nase prügeln, denkste das würde funkeln?«
»Nein. Ich denke das würde wehtun. Und jetzt arbeite, taanverflucht.«
Mit dem nächsten Spatenstich sog Bambulistan scharf die kalte, modrige Luft ein. »Spar dir die Blasphemie. Grube kommt vielleicht nicht von Grübeln, aber es kommt auch nicht daher, sämtliche guten Sitten abzulegen.«
»Ach nicht? Dabei wollte ich grade Ferrermentaris Symbole in den Boden ritzen und einen Haufen darauf setzen.«
Bambulistan hieb sein Arbeitsgerät in besagten Boden. »Jetzt hör mal zu, du glattgeschmiergelte Otterklöte, lass die Taane aus dem Maul, oder willst du dich für den Rest deiner Tage in dieser stinkenden Miene abrackern?«
Schaumreif zuckte mit den Schultern. »Keinen Dunst, was die kreuzverschissenen Taane damit zu tun haben, aber dass hier unten ist mehr Heimat als ich je hatte.« Damit rammte er seinen eigenen Spaten in die Erdwand, gleich rechts neben die hässlich klaffende Öffnung, die Bambulistan geschlagen hatte … und mit einem seltsamen Schlürfgeräusch versank das Metallblatt viel tiefer, als sein Schwung es hätte vermuten lassen. »Was zum Taa …«
»Sag es nicht!«, fauchte Bambulistan. Und die beiden Männer beobachteten, wie eine ölige Flüssigkeit, durchzogen von tanzenden goldenen Schlieren über den Spaten leckte … zischelnd das Metall fraß … auf den Stiel zufloss, als würde sie einem Wegweiser folgen. Das Holz begann zu dampfen. Ein Geruch von Rost und Schwefel überflutete die Grube und Bambulistan raunte: »Lass los!«
Doch Schaumreif tat genau das Gegenteil. »Taanendreck, mein Spaten«, fluchte er, fasste weiter vorne an und versuchte das schmelzende Blatt aus der Erde zu prokeln. Ruckte, zog und zerrte, als wolle er am Waschbrett einem besonders hartnäckigen Fleck zu Leibe rücken … und dann peitschte das seltsame Öl über seine Finger.
Schaumreif schrief. Riss die Augen auf vor Entsetzen und Schmerz, und irgendwas schrie auch Bambulistan, an das er sich später nicht mehr erinnern konnte. War es »Ich hab’s dir gesagt!« gewesen? Jedenfalls sah er noch, wie die Flüssigkeit mit den wirbelnden Goldrinnen die Haut von Schaumreifs Unterarm schmolz, Tropfen auf seine Beine spritzen, sich durch den Stoff seiner Hosen ätzten, bis er kreischend zusammen sackte und das schwarze Öl wie eine Decke aus tödlichem Samt über ihn schwappte.
Die Überbleibsel des Spatens fielen aus der Wand. Die zersetzen Reste von Metall, Holz, Fleisch und Knochen versackten mit der wirbelnden Flüssigkeit im Boden. Bis nichts als ein Fleck übrigblieb, nur wenig dunkler als die Erde selbst.
»Hey«, rief eine Stimme von oben. »Wart ihr nicht zu zweit? Wo ist dein Helfer?«
»Den ham die Taane geholt«, sagte Bambulistan langsam.
»Was? Na egal, weitermachen!« Der Mann am Rand der Grube packte sich in den Schritt, schnäuzte sich und rotzte zu ihm herunter. Dorthin, wo kurz zuvor noch Schaumreif gestanden hatte.
Mit einem »Jup« setzte Bambulistan seinen Spaten wieder an. Etwas weiter links von der Stelle, wo er es zuvor getan hatte. Leise betete er zu Giffeyasuhl und den Ihren. Vielleicht war sein Leben doch nicht so falsch abgebogen, wie er geglaubt hatte …

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„Hero, U Shy?“, den Kurzgeschichten-Podcast findet ihr auf:

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